Meeri-TÜV
Meerschweinchen sind die besten Schauspieler der Welt, wenn es darum geht, Krankheiten zu verstecken. In freier Wildbahn wird ein offensichtlich krankes Tier sofort aus der Gruppe ausgestoßen, und das führt dann unweigerlich zum Tod. Deshalb wird sich kein Meerschweinchen eine bestehende Krankheit anmerken lassen, solange es sie noch verheimlichen kann.
Nun hat es der Tierarzt natürlich leichter ein Meerschweinchen zu behandeln, wenn sich seine Krankheit noch in einem relativ frühen Stadium befindet. Also müssen wir unsere kleinen Schauspieler ganz genau beobachten, um jedes noch so kleine Anzeichen für eine Krankheit rechtzeitig entdecken zu können. Schon während des Fütterns kann man oftmals erkennen, wenn etwas mit den Tieren nicht stimmt.
Anzeichen für eine Erkrankung sind:
- Das Meerschweinchen kommt nicht oder langsamer als sonst zum Futter.
- Es hat Schwierigkeiten beim Kauen; Es isst sehr langsam.
- Es ist lustlos, bewegt sich weniger als sonst oder erscheint ängstlicher als sonst.
- Es hat stumpfes Fell.
- Es hat trübe oder verklebte Augen oder die Augen tränen.
- Die Köttel sind weich; Die Poregion ist schmutzig.
- Das Meerschweinchen hat Schwellungen am Körper.
- Es kratzt sich häufig; Evtl. sind Haarlinge im Fell zu sehen.
- Nase oder Ohren sind verschmutzt.
- Das Meerschweinchen bewegt sich übervorsichtig.
Einmal die Woche sollte man seine Meerschweinchen aber noch genauer untersuchen. Also nicht nur zusehen und zuhören, sondern auch anfassen, tasten und weniger offensichtliche Regionen nach Auffälligem absuchen. So ein Meerschweinchen-TÜV läuft in etwa so ab:
- Man schaut sich genau die Augen des Meerschweinchens an. Sind sie klar und glänzend ist alles in Ordnung. Sind sie aber trüb, tränend oder verklebt, ist das Schweinchen krank.
- Dann ist die Nase dran. Hier schaut man nach, ob sie frei und trocken ist. Ist sie feucht oder verklebt, ist das kein gutes Zeichen. Manche Meerschweinchen haben ab und zu schmutzige Nasen. Das kann u.U. normal sein. Wenn die Nasenlöcher trotzdem frei sind, ist das noch nicht unbedingt Grund zur Sorge. Im Zweifelsfall ist es aber immer besser einmal zu viel als einmal zu wenig zum Tierarzt zu gehen.
- Die Ohren werden daraufhin untersucht, ob sie sauber sind. Schorfige, verkrustete Ohren können auf einen Pilz oder auf Milben hindeuten, manchmal auch auf eine verheilende Wunde.
Bei Hängeöhrchen sammelt sich gern mal etwas Dreck, der während des Tüvs entfernt werden kann. - Dann schaut man sich den Mund an. Sind die Lippen verkrustet, könnte das Meerschweinchen Lippengrind haben. Das ist eine Krankheit, der man durch regelmäßige Gabe von wenigen geschälten Sonnenblumenkernen vorbeugen kann.
- Die Zähne kann man sich genauer ansehen, indem man dem Schweinchen die Lippen leicht auseinanderzieht. Sind die Zähne unten gleichmäßig begrenzt, ist alles in Ordnung. Findet sich eine wellen- oder bogenförmige Begrenzung oder ist ein Zahn abgebrochen, sollte das Schweinchen genau beobachtet werden. Frisst es nicht mehr normal, dann muss es sofort zu einem Tierarzt.
- Das Fell des Meerschweinchens muss glänzen und sollte gleichmäßig dicht sein. Ist es stumpf, so stimmt u.U. etwas mit der Ernährung nicht. Sind kahle Bereiche im Fell zu finden (Die haarlosen Stellen hinter dem Ohr sind normal.) oder ist die Haut schuppig, könnte das Meerschweinchen evtl. einen Pilz haben. Kratzt sich das Schweinchen häufig, kann man manchmal Haarlinge im Fell entdecken; manchmal sind die Verursacher auch Milben, die man nicht sehen kann. In jedem dieser Fälle ist ein Besuch beim Tierarzt angesagt.
- Dann wird das Meerschweinchen abgetastet. Hierbei kann man Schwellungen jeglicher Art entdecken, so dass sie rechtzeitig behandelt werden können. Jedes Meerschweinchen hat übrigens zwei Brustwarzen relativ weit unten am Bauch. Die gehören da auch hin. Bei mir hat es eine Weile gebraucht, bis ich das raus hatte. ;)
- Bei einem Böckchen schaut man nach, ob seine Perinealtasche sauber ist, und säubert sie, wenn nötig. Die Perinealtasche befindet sich unterhalb des Penis. Darin befindet sich eine Duftdrüse, mit der das Böckchen sein Revier markiert. Dabei stülpt das Meerschweinchen die Tasche hinaus und sammelt dabei oft unfreiwillig Streu und Köttel ein. Bei Kastraten ist das weniger häufig, kommt aber auch vor. Säubern kann man die Perinealtasche mit Wattestäbchen und viel Babyöl. Dazu wird das Meerschweinchen am Besten auf den Rücken gelegt. Eine Wäscheklammer für die eigene Nase kann im Übrigen sehr hilfreich sein. ;)
- Dann wird noch der Po untersucht. Er sollte sauber und trocken sein. Ein schmutziger Po deutet auf Durchfall hin, was bei Meerschweinchen eine schwere Krankheit sein kann. Sie kann u.U. tödlich enden, deshalb sollte man mit einem an Durchfall erkrankten Meerschweinchen sofort zum Tierarzt gehen.
Ist der Pobereich nass, kann das auf eine Blasenentzündung hindeuten. Auch in diesem Fall ist ein Besuch beim Tierarzt angesagt. - Auch die Füße des Schweinchens werden nun untersucht. Rötungen weisen u.U. auf einen ungeeigneten oder zu feuchten Boden im Gehege hin. Manche Meerschweinchen entwickeln bei Fehlbelastung des Fußes ein Ballenhorn, eine Verhornung der Haut, die fortlaufend weiterwächst und deshalb regelmäßig vorsichtig gekürzt werden muss. An dieser Stelle reißt die Haut sonst leicht auf, weshalb man auch nie am Ballenhorn ziehen darf.
- Schließlich sollte das Meerschweinchen gewogen werden. Ein ausgewachsenes Meerschweinchen schwankt in seinem Gewicht nicht wesentlich; wenn es aber krank wird, kannt man oft einen deutlichen Gewichtsabfall feststellen. Eine bessere Übersicht über den Gewichtsverlauf erhält man, wenn man die Werte regelmäßig aufschreibt.
Wenn das Schweinchen übrigens gerade eine ausgedehnete Mahlzeit hinter sich hat, wird es auf jeden Fall mehr wiegen, als wenn es enthaltsam war. Deshalb ist es sinnvoll, das Wiegen regelmäßig vor oder regelmäßig nach einer Fütterung vorzunehmen, so dass die Werte vergleichbar bleiben. Das natürlich nur, sofern Futter nicht immer zur freien Verfügung steht.
Krallen kürzen
Nach dem Meeri-TÜV werden dem Schweinchen gleich die Krallen geschnitten, wenn das nötig ist.
Dazu legt man sich das Meerschweinchen z.B. auf den Arm, und kann dann mit einer Krallenschere, -zange oder einem einfachen Nagelknipser überlange Krallen zurechtstutzen. Dabei muss man darauf achten, nicht zu viel abzuschneiden. Bei hellen Meerschweinchen erkennt man recht gut, wo man ansetzen kann. Der obere Teil der Kralle enthält nämlich noch Gefäße, die rosa hindurchscheinen. Wenn man hier hineinschneidet, wird es bluten. Die übrige Kralle ist durchscheinend. Am Besten lässt man einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen dem durchbluteten Teil und der Schnittkante. Beim Schneiden sollte der Knipser oder die Zange seitlich an der Kralle angesetzt werden. Schneidet man von oben nach unten, ist das für das Meerschweinchen sehr unangenehm.
Der Schnitt sollte immer schräg erfolgen, so dass der obere Teil der Kralle, der ein wenig härter ist als der untere, beim Laufen nachher den Boden berührt. Überragt der weichere Teil der Kralle den harten, tut das Laufen dem Meerschweinchen weh.
Zum Problem wird das Krallenschneiden oft bei Meerschweinchen mit dunklen Füßen. Eine schwarze Kralle zeigt das darinnen liegende Blutgefäß leider nicht mehr deutlich. Der Tipp, die Kralle mit einer Taschenlampe von unten anzuleuchten, so dass die Gefäße rötlich durchscheinen, hat bei uns nie funktioniert. Von daher "knibbele" ich mich bei meinen Schwarzfusskandidaten immer am oberen, etwas härteren Teil der Kralle vor, dem Teil, der etwas schneller wächst als der untere weiche Teil. Es bildet sich dabei unter der Kralle eine leichte Rille heraus, an der ich mich mit dem Knipser entlangtaste. Dabei setze ich immer schräg seitlich an. Einmal von links, dann wieder von rechts, dann wieder links... solange, bis es nicht mehr weitergeht. Ich fürchte, das lässt sich schlecht in Worte fassen. Ich versuche es besser mit einem Bild.
Wer ängstliche Meerschweinchen hat oder welche, die das Angefasstwerden nicht gewohnt sind, der kann bei der Krallenschneiderei schon ab und an Schweißausbrüche bekommen. Das Schweinchen sitzt nicht still und zappelt herum, und man traut sich nicht zuzuschneiden, weil im entscheidenden Moment die Kralle in die Zange rutschen könnte. Natürlich hilft dabei sehr die Gewohnheit. Ein Meerschweinchen, das jede Woche einmal ausführlich betüvt wird, gewöhnt sich auf Dauer zumindest ein wenig an die Situation. Trotzdem gibt es die Kandidaten, die das Zappeln einfach nicht lassen wollen. Bei den Ostseeschnuten hat sich da folgendes bewährt:
Das Meerschweinchen in die Zange nehmen: Banu, unser aktuelles Fass-mich-nicht-an-Schweinchen, wird gnadenlos (aber natürlich vorsichtig) an meinen Bauch gepresst, wenn sie nicht in Krallenschneidstimmung ist (Ist sie nie! ;) ). Das sieht nicht nett aus, geht aber am Schnellsten, und irgendwie müssen die Krallen ja ab. Sie hält dann auch eine Weile wirklich relativ still. Wenn die Phase vorbei ist, ist sie aber endgültig vorbei - es heißt also zügig arbeiten.
Bisher hat das noch bei jedem ängstlichen Meerschweinchen gut funktioniert. Jedenfalls deutlich besser als lange Krallenschneidszenen, bei denen sich das jeweilige Schweinchen immer mehr in seine Panik hineinsteigerte. "Schnell daran und schnell davon" hilft auf jeden Fall, die Angst vor dem nächsten Tüv gering zu halten.
Bestechung mit Gurke: Meine Schnuten sind immer etwas knapp an Gurke - bei anderen Schweinchen klappt möglicherweise etwas anderes besser. Also, das aktuelle Lieblingsfutter wird direkt vor dem Schweinchen geparkt. Will es knabbern, darf es das. In den Pausen (die zugegebenermaßen oft etwas unfreiwillig sind) werden die Krallen geschnitten. Ich habe versucht, die Krallen beim Futtern zu schneiden, aber das klappt bei uns nur unvollständig. Von anderen Schweinchen weiß ich aber, dass sie es zulassen. Da hilft also nur ausprobieren, obs der eigenen Schweinegemeinde zusagt.
Witzigerweise funktioniert der Bestechungstrick sogar bei den Meerschweinchen, die zu ängstlich sind, während des Tüvs zu futtern. Vielleicht deshalb, weil sie wissen, dass die Gurke hinterher ins frischgesäuberte Gehege wandert? Jedenfalls beruhigt die Anwesenheit einer Gurke das schweinische Gemüt offenbar ungemein, weshalb eine solche bei uns während des Tüvs immer direkt vor dem Schweinchen posiert.
Haare schneiden
Hat man Langhaarmeerschweinchen und ist bei diesen einmal wieder ein Haarschnitt fällig, dann kann man auch das direkt nach dem Tüv erledigen. Zu diesem Zweck legt man sich ein Handtuch und eine Haarschneideschere oder (so vorhanden) ein Schergerät bereit, schnappt sich das Schweinchen und legt los. Leider mögen viele Schweinchen diese Prozedur überhaupt nicht.
Als hilfreich hat sich bei uns folgendes erwiesen:
- Ein Stückchen Gurke oder ähnliches kann die Situation enorm auflockern. ;)
- Die Schere muss wirklich sehr scharf sein. Ansonsten ziept es, und das Meerschweinchen wird zappelig, was das Haareschneiden wirklich nicht erleichtert.
- Beim Entfernen der Verfilzungen, bei dem es leicht Ziepen kann, habe ich das Schweinchen immer auf dem Rücken liegend auf dem Schoß. So komme ich leichter an die meist betroffene Poregion heran und außerdem weiß das Schweinchen, wenn es wieder auf den Beinen steht, ist der unangenehme Teil vorbei. Es ist dann viel ruhiger beim Schneiden der übrigen Haare.
Möglicherweise ist es bei dem einen oder anderen Schweinchen auch sinnvoll, diese Prozedur zu einem ganz anderen Zeitpunkt durchzuziehen. Je nach Charakter kann ich mir vorstellen, dass es Meerschweinchen gibt, die sich beim Entfernen der Verfilzungen mehr aufregen, so dass das Haareschneiden unnötig anstrengend für beide Seiten wird. Ich hatte bisher glücklicherweise immer sehr ruhige Wischmoppschweinchen. Das mag die Gewohnheit oder eben auch Zufall gewesen sein. - Ich schneide, indem ich die Haare zwischen die Finger nehme und das Überstehende über den Fingern wegkürze. So kann ich das Meerschweinchen nicht aus Versehen verletzen. Außerdem hat das den schönen Nebeneffekt, dass der Schnitt gleichmäßiger wird. Der junge Mann auf den Fotos kam frisch frisiert jedenfalls immer gut bei seinen Mädels an. ;)