Verdauung - Ernährung - Verdauungsprobleme - Zahnprobleme - Lippengrind - Grabmilben - Ohrentzündungen - Sterben und Einschläfern
Allgemeines zu Verdauung und Ernährung
Die Verdauung der Meerschweinchen ist ein sehr komplexer und störanfälliger Vorgang. Viele Tierarztbesuche mit Meerschweinchen hängen mit Fütterungsfehlern zusammen, die Verdauungs- u. Zahnprobleme nach sich ziehen können. Daher empfiehlt es sich, sich etwas mit der Ernährung auseinanderzusetzen.
Magen
Der Magen der Meerschweinchen und Kaninchen besteht vereinfacht gesagt nur aus einer dünnen, muskelschwachen Wand, die innen je nach Areal mit Schleim oder Salzsäure produzierenden Zellen ausgekleidet ist. Meerschweinchen haben keine kräftig ausgeprägte Muskulatur im Magen-Darmtrakt, mit der z.B. der Mensch den Nahrungsbrei weiter transportieren kann. Deswegen geschieht dieser Transport weitgehend durch erneute Nahrungsaufnahme, die im Magen befindliches Futter weiter schiebt. Optimalerweise fressen Meerschweinchen und Kaninchen in vielen kleinen Mahlzeiten (ca. 60-80x täglich, also alle 15-25 min.). Der Magen ausgewachsener Meerschweine fasst ca. 20-30ml. Der Nahrungsbrei wird fast ausschließlich durch nachfolgendes Futter weitertransportiert. Diese Art Weitertransport kann nur gewährleistet werden durch rohfaserreiches (= Zellulose- u. ballaststoffreiches) Futter wie z.B. Heu. Daher ist Heu das Hauptfutter der Meerschweinchen und muss immer unbegrenzt zur Verfügung stehen. Frischfutter sollte es auf mehrere kleine Portionen verteilt geben. Füttert man nur 1x täglich z.B. Frischfutter, eine Handvoll Heu und einen vollen Napf Trockenfutter, kommt es leicht zu einer zu großen Futteraufnahme und Überlastung des Verdauungstraktes mit stärkereichen und zellulosearmen Futtermitteln. Infolge dessen kommt es zu vermehrter Aktivität der Verdauungsbakterien. Sie setzen bei ihrer Arbeit Gase frei, die im Normalfall durch nachfolgendes Futter abtransportiert werden. Stark gesättigte Tiere fressen weniger, sodass das Futter u. die Verdauungsgase unter Umständen nicht oder in zu geringem Umfang weitertransportiert wird. Folglich bleibt das Futter auf der Stelle und gährt dort vor sich hin. Die entstehende Gasmenge kann das Tier auch äußerlich sichtbar aufblähen und sogar zu einem lebensbedrohlichen Zustand werden.
Im Dünndarm und den ersten Dickdarmabschnitten der Meerschweinchen liegt ein basisches Milieu vor. In diesen besteht ein ausgewogenes Verhältnis der physiologischen (gesunden u. normalen) Verdauungsbakterien. Sie können die Zellulose aufspalten, welche im Heu und Frischfutter enthalten ist. Sinkt der pH-Wert ins Neutral- bis Saure, z.B. durch Fütterung von Getreide, Melasse usw., werden die Verdauungsbakterien von Kolibakterien und anderen überwuchert, so dass die Zelluloseaufspaltung/-verdauung gehemmt wird. Zeitgleich kommt es zu einer raschen Vermehrung und Ausbreitung der pathogenen (krankmachenden) Bakterien, die keine Zellulose verdauen können. Folge: Schwein kann sein Futter nicht mehr richtig verwerten und bekommt Verdauungsprobleme durch Dysbakteriose (Störung der Darmflora: das gesunde Verhältnis der Verdauungsbakterien zueinander ist aus dem Gleichgewicht geraten).
Wenn sich also diese „falschen“ Bakterien z.B. durch Körnerfütterung stark vermehren, kommt es zu Problemen in der Heu- und Frischfutterverdauung. Das Meerschweinchen nimmt zu viele Proteine übers Getreide auf, was zu Fehlgährungen führt. Füttert man trotz Getreide, Melasse und Co, was oft in Trockenfuttern enthalten ist, viel Heu, bemerkt man die Verdauungsprobleme ggf. nicht so schnell. Weil die Meerschweinchenverdauung das recht lange ausgleichen kann. Aber es kommt dann leicht zu anderen Erkrankungen, z.B. einer Fettleber oder anderen Organveränderungen. Das Meerschweinchen kann zwar schon seinen Nährstoffbedarf übers Getreide decken, nur gibt es so nicht genug „Füllstoff“ im Verdauungstrakt, der den Nahrungsbrei weiter schieben hilft. Dabei können die gefährlichen Fehlgährungen entstehen und es kann leicht zu akuten und wenn zu spät behandelt, tödlich verlaufenden Verdauungsproblemen kommen, da die großen Mengen überschüssiger Gase aufgrund der schwachen Muskulatur nicht ausreichend abtransportiert werden können. Meeris können nicht pupsen im üblichen Sinne, bei zu hohem Druck kann allerdings Gas in geringem Maße entweichen. Dies reicht aber nicht aus, um den Druck ausreichend zu reduzieren. Bleiben die Gase im Verdauungstrakt, kommt es zu starken Schmerzen und Futterverweigerung, was die Verdauungsprobleme weiter verstärkt. Steigt der Druck nun weiter an, was unweigerlich geschieht, wenn nichts zur Unterstützung einer normalen Verdauung unternommen wird, dann führt der hohe Druck im Bauchraum zur Beeinträchtigung der Organfunktion. Es kommt zu sichtbaren Anzeichen z.B. zu akuten Herz- u. Lungenproblemen, gefolgt von Kreislaufversagen, extrem schmerzhaften, tödlichem Bauchweh und Ersticken. (Mehr dazu siehe Infotext Verdauungsprobleme, Kolik)
Außerdem wird die Heuverdauung erschwert, wenn die Tiere gewöhnt sind, Getreide o.ä. zu fressen, da die Verdauungsbakterien die Heu und Frischfutter verdauen können, durch Getreidekonsum absterben. Zusätzlich ist Heu für den Zahnabrieb da.
Futterpassage der Darmabschnitte
Das Futter gelangt also über Mäulchen und Speiseröhre zum Magen, wo das Futter von der Magensäure zersetzt und vorverdaut wird. Dann erreicht es den Dünndarm, der sich aufteilt in: Zwölffingerdarm (Duodenum), Leerdarm (Jejunum) und Hüftdarm (Ileum). In den Zwölffingerdarm münden auch der Gallengang von der Gallenblase kommend (Galle = Fettemulgator, d.h. macht aus großen Fettmolekülen Kleine, die dann besser für die Fettverdauungsenzyme aus Bauchspeicheldrüse und Darmsaft aufspaltbar sind, da die Fettaufnahme über Dünndarmwand geschieht.) und der Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse (Bauchspeichelproduktion mit Enzymen zur Aufspaltung/Verdauung von Zuckern, Kohlenhydraten, Eiweiße, und Fetten). Enzyme der Dünndarmwand verdauen Kohlenhydrate und nehmen Mineralien- u. Vitamine auf. Im Dünndarm wird die Nahrung aufgespaltet und viele Stoffe werden direkt über die Dünndarmwand aufgenommen. Die kompliziertere Zelluloseaufspaltung und -verdauung findet in einem extra darauf spezialisierten „Zelluloseverdauungsapparat“, nämlich im nachfolgenden Blinddarm statt. Die Zellulose- u. Rohfaserverwertung geschieht also erst im Dickdarm, der sich in Blinddarm (Caecum/Zäkum), Grimmdarm/Colon und Mastdarm/Rektum (kleiner Kotlagerungsbereich) unterteilt. Der Blinddarm ist beim Meerschweinchen der Hauptverdauungsort und somit der größte Teil des Darmes. Er kann bis zu 1/3 der Bauchhöhle einnehmen und hat ein saures Milieu. Der Blinddarm wird oft als große Gährkammer bezeichnet, in ihm findet die Rohfaser- und Zelluloseverdauung statt. Im Blinddarm befinden sich zum Großteil Verdauungsbakterien, die ohne Sauerstoffzufuhr existieren können (Anaerobiern), sowie grampositiven Bakterien (Kokken und Laktobazillen). Bei der Zelluloseverdauung entstehen leicht verdauliche freie Fettsäuren, die dem Meerschwein in schnell umsetzbarer Energie zur Verfügung stehen. Die Verdauungsbakterien des Blinddarmes ernähren sich von den Rohfasern u. Zellulose. Dabei entstehen Gase. Bei Rohfaserreicher Fütterung (z.B. Heu, Kräuter, Gräser, Gemüse) bleiben diese nützlichen Verdauungsbakterien im Gleichgewicht.
Blinddarmkot und Kotfressen (Koprophagie)
Im Blinddarm wird auch der so genannte „Blindarmkot“ (Caecotrophe) produziert. Er ist etwas heller und weicher als der restliche Kot und mit einer schützenden Schleimhauthülle versehen. Er macht ungefähr 30% der Gesamtkotmenge aus. Dieser Kot ist unentbehrlich für Meerschweinchen, da er viele lebensnotwendige Stoffe (Vitamine, Proteine (Eiweiße), Kohlenhydrate, Spurenelemente, Mineralien, geringe Menge an Fettsäuren enthält. Er wird direkt nach dem Ausscheiden wieder gefressen, was i. d. R. unzerkaut geschieht. Das ist meist ein kurzer Vorgang, der aussieht als würde sich das Tier putzen. Der Blinddarmkot verweilt etwa 6 Std. im Magen. Die Schleimhauthülle schützt die Bakterien, die im Blindarmkot enthalten sind vor der Magensäure. Diese im Blinddarmkot enthaltenen Bakterien unterstützen die Vorverdauung der Nahrung, sie werden dann von der Magensäure inaktiv gemacht und später in Magen und Dünndarm mit dem Blinddarmkot aufgelöst. Diese Verdauungsform führt dazu, dass Meerschweinchen ihren tierischen Eiweißbedarf selber abdecken und dies nicht extra zugeführt werden muss. Auf diese Art können aus zellulosereichem Futter, alle notwendigen Nährstoffe vom Meerschwein selbst hergestellt werden. Einzige Ausnahme ist Vitamin C. Das können sie, wie auch der Mensch, nicht synthetisieren, so dass es zugefüttert werden muss.
Ausgewachsene, gesunde ausgewachsene Meerschweinchen, die keinen erhöhten Vitamin-C-Bedarf haben, brauchen tägl. ca. 10-20mg Vitamin C. In Innenhaltung etwas weniger als in Außenhaltung. Bei Trächtigkeit 20mg Vit. C täglich. Krankheit, Jungtiere, Muttertiere in der Aufzucht, Senioren…haben ebenso einen erhöhten Vitamin C-Bedarf. (Quelle: Ilse hamel: „Das Meerschweinchen als Patient“)
Lt. der Frischfutterliste der Meerschweinchen-Info führt Wintergemüse zu einem bis zu 1/3 geringerem Vitamin C-Gehalt. Auch Lagerung und Anbaugebiet kann zu Schwankungen des Vit. C-Gehaltes führen. (Vitamin C-Über/Mangelversorgung: siehe kommender Infotext über Vitamine).
Besonders Vitamin-K und alle Vitamine des B-Komplexes werden über das Fressen des Blinddarmkotes wieder aufgenommen und können im Magen resorbiert und dem Körper erneut zur Verfügung gestellt werden. Sollte ein Schwein ständig den eigenen und den Kot anderer Schweine fressen, Mangel dieser Vitamine, Resorptionsstörung aufgrund von Darmschleimhautveränderungen o.ä. in Erwägung ziehen.
Das Fressen des Blinddarmkotes führt bei Medikamentengabe dazu, dass diese auch mehrfach den Verdauungskanal durchlaufen können, was bes. bei z.B. Antibiotikagaben zu beachten ist. Antibiotika zerstören die zur Verdauung notwendigen Bakterien, was zu massiven Verdauungsproblemen führen kann. Systemische Antibiose nur bei nachgewiesener bakterieller Infektion verabreichen, nicht auf Verdacht.
Aus dem Blinddarm kommt der Nahrungsbrei in den Grimmdarm. Der Blinddarmkot wird hier fast unverändert durchgelassen. Im Grimmdarm findet Flüssigkeitsentzug und gleichzeitig Kotformung statt, bevor die Knödel in bekannter Bohnenform über den Mastdarm ausgeschieden werden.
Im Durchschnitt verweilt einmal gefressenes Futter 5 Tage im Meerschweinchen. Daher ist es besonders wichtig, nur einwandfreies Futter zu verabreichen. Meerschweine können normalerweise aufgrund der schwachen Magenwandmuskulatur nicht durch Zusammenziehen dieser Muskeln erbrechen. Das Futter muss also immer den gesamten Verdauungstrakt durchlaufen, um dann endlich über den After ausgeschieden zu werden. Die Aufnahme von giftigem oder schlechtem Futter bedeutet daher eine sehr große bis tödliche Belastung für den Schweineorganismus.
Bei Fressverweigerung unbedingt Zufüttern/Päppeln, die Verdauung darf nicht durch zu große Futterpausen zum Erliegen kommen.
Päppeln von Critical Care (im Folgenden kurz CC)
Bei ausgewachsenen Schweinen: 50-60ml pro Tag in vielen kleinen Mahlzeiten, mindestens 5, zur Not 3x täglich. Für Meerschweinchenbabies ist CC nicht energiehaltig genug und entspricht nicht den besonderen Ernährungsbedürfnissen. Es schadet nicht, aber es ist nicht ausreichend den Bedürfnissen angepasst.
Mehr Infos zu Päppeln allgemein, Päppeln bei Zahnproblemen und in der Aufzucht gibt’s unter Infotext „Päppeln“.
Erbrechen
Bei Erbrechen SOFORT Tierarztkontakt!!!
Extrem starker Druck im Bauchraum kann zu Erbrechen führen. Dies geschieht aber nur in äußerst seltenen Fällen und ist dann meist ein lebensbedrohlicher Zustand, der ungeheuer Kraft zehrend für das Tier ist. Bei Anzeichen für Erbrechen (z.B. stoß-, krampfartiges Entleeren des Mageninhaltes übers Maul, äußerlich sichtbar an Zusammenziehen der Bauchmuskeln): Sofort tierärztlich abklären lassen, woran es liegt. Sollte ein Verschluss im Verdauungstrakt vorliegen, führt die Verabreichung von Futter, Medikamenten… nur zu einem Auffüllen des Magens. Das Tier erbricht dieses oder der Magen/Darm kann platzen. Bei Erbrechen keine Medikamente geben, sondern direkt zum Tierarzt fahren. Kotprobe zum Tierarzt! Evtl. Erbrochenes untersuchen auf Infektion um ggf. antibiotisch behandeln zu können.
Vorsicht mit Antibiotikagabe bei Verdauungsproblemen!!! Nur bei nachgewiesener Infektion oder begründetem Verdacht verabreichen.
Möglichst nie mit Buscopan behandeln!Möglichst nie mit Buscopan behandeln! Es wirkt oft zu stark entspannend und kann die gesamte Verdauung vollständig zum Erliegen bringen.
Dann schon besser MCP-Tropfen verwenden, da verträglicher. Aber max 3-4 Tage anwenden, da MCP die Darmmotilität (Darmtätigkeit) anregt und der Körper sich an diese Unterstützung gewöhnt. Nach Absetzen kann es zu Atonie (Darmträgheit, Untätigkeit, bis vollständiger Erlahmung) kommen. Daher nur kurz verwenden und ggf. Dosis ausschleichen.
MCP aufgrund der Nebenwirkung nicht eigenmächtig verabreichen! Nur, wenn verordnet, keine Reste aufbrauchen. Auch nicht wenn das Verdauungsproblem genauso auszusehen scheint.
Infos zu Verdauungsproblemen (Blähungen, Koliken, Durchfall) und ihre Behandlung siehe Infotext: Verdauungsprobleme
von Désirée Kappas
Quellen:
www.birgit-drescher.de
www.fraumeier.org
www.diebrain.de